Willkommen auf der Homepage der Autorin Isabell Pfeiffer !
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Schwester Giselas Geheimnis „ ... kein
anderer Autor, meine Damen und Herren, hat so unbarmherzig und scharf die
Sinnlosigkeit der postmodernen Existenz bloßgestellt, wie Schmalzke es
hier getan hat ... Denken Sie nur an die Szene, in der der junge Alkoholiker
sich erbricht, ja, ich sage es, sein vergiftetes Inneres auskotzt auf das
blühende Rosenbeet seiner Tante, nachdem diese sich erhängt hat. An
den arbeitslosen KP-Aktivisten, der sich am Tisch der verwahrlosten
Wohnküche die Fußnägel schneidet. Oder die Fotografin, die
sich allein in ihrer Dunkelkammer plötzlich mit den Kinderpornos ihres
Verlobten konfrontiert sieht ... Es begegnet die Banalität des
Bösen, meine Damen und Herren, die Einzug hält in die graue
Dunkelkammer unserer Einsamkeit, nachdem die verlogene Welt der heilen
Familie ad absurdum geführt wurde ... “ Die Dunkelkammer unserer
Einsamkeit, dachte er, wunderbar. Das hätte auch Schmalzke selbst so
ausgedrückt. Hoffentlich würde er das heute Abend nach dem Kurs
noch erinnern und in seine Kladde eintragen können. Er strich sich
ernsthaft die Haare hinter die Ohren zurück und ließ die Blicke
über das Auditorium schweifen. Da saßen sie, eine Horde
grauer Mäuse, und ließen sich von ihm an einem Abend in der Woche
in die Zauberwelt der Literatur entführen, immer Donnerstags von 20 Uhr
bis 21 Uhr dreißig, um dann wieder in ihren tristen Löchern zu
verschwinden, zu einem Dasein ohne Kunst und Transzendenz. Hinten meldete
sich schon wieder Frau Schmitz. Sie meldete sich immer und stellte ihre
impertinent dummen Fragen. Eine Küchenschabenexistenz. Er hatte Zweifel,
ob sie seinen Ausführungen auch nur ansatzweise folgen konnte; nein,
eigentlich hatte er keine Zweifel mehr: sie konnte es nicht. Jenseits der
Welt der Kochrezepte und Wäschetrockner-Bedienungsanleitungen war ihr
das geschriebene Wort verschlossen wie die Brennkammer eines
Druckwasserreaktors. Wer sollte das besser wissen als er, Dr.Hans-Joachim
Magelski, zur Zeit Privatdozent der vergleichenden literarischen
Kommunikationswissenschaften auf Abruf, auf der Suche nach einer
angemessenen Position. Einen Volkshochschulkurs wie diesen hier abzuhalten
war für ihn, als hätte man Alberto Tomba gezwungen, seine
Skikünste auf dem Idiotenhügel zu produzieren. „Bitte, lassen Sie mich
gerade noch diesen Gedanken ... Der Held des postmodernen Romans, meine Damen
und Herren, des wahrhaft postmodernen Romans ist kein Held mehr. Er ist ein
Gescheiterter, ein bestenfalls Überlebender der eigenen Existenz, und
Beglückung (hatte er wirklich das platte Wort Beglückung benutzt?)
findet er nur noch in der Einsicht in eben dieses Scheitern, das für ihn
die ultimative Möglichkeit in sich birgt, sich selbst zu verwirklichen
... bitte, Frau – äh – “ Er nickte angemessen knapp. „Verzeihung, aber ich
finde“ – die Schmitz konnte nichts anderes als Nuscheln –
„ich finde, bei Werner Schmalzke handelt es sich um eine
hochneurotische Persönlichkeit.“ Hochneurotisch? Da hatte sie wohl
in der ‚Welt der Frau‘ wieder einen Psychotest gemacht. „Schlimmer noch als
Kafka.“ Was! Diese Person wagte es, den Namen Kafka in den Mund zu
nehmen! Magelski spürte, wie sich unwillkürlich der Speichel in
seinem Mund sammelte. Am liebsten hätte er ihr in das ausdruckslose
Gesicht gespuckt, aber Jahrzehnte der gesellschaftskonformen Sozialisation
ließen sich nicht so leicht abschütteln. „Frau – äh
– ich glaube, Sie haben Schmalzke noch nicht in der ganzen Vielfalt
seiner facettenreichen Prosa erfasst.“ Wenn sie darauf wartete, der
Name Schmitz würde ihm über die Lippen kommen, konnte sie lange
warten. „Ganz abgesehen davon, dass natürlich dem Problem des
Neurotizismus, insbesondere der Frage nach seiner neonormativen Kraft, in der
modernen Literatur eine zentrale, ja, man möchte fast sagen,
sinnstiftende Rolle zukommt, Sie verstehen vielleicht, was ich meine ...
Denken Sie an den frühen Trakl.“ Sie sah aus wie eine Kuh. Das war
es. Wie eine Kuh, der gerade das halbgegorene Kraftfutter aus dem Vormagen
wieder hochkam. Und damit musste er sein Geld verdienen. „Mit den
zeitgenössischen Feuilletonisten möchte man geradezu fragen, ob
nicht der Neurotiker selbst der Heilige der Postmoderne ist.“
Triumphierend sah er in die Runde. Die Schmitz hielt ein in Pergamentpapier
eingewickeltes Mehrkornbrötchen in der Hand und fing an, es auszupacken. „Pause, bitte, Herr
Doktor“, krähte sie. Er schloss die Augen, um nicht sehen zu
müssen, wie sie ihre großen Zähne in das unschuldige Backwerk
schlug. Unter gesenkten Augenwimpern
betrachtete Anneliese Schmitz den Dozenten, während sie konzentriert
kaute. Was für eine jämmerliche Erscheinung, was für ein
erbärmlicher Wicht! Sie hätte schwören können, dass er
unter chronischer Verstopfung litt, morgens mit Kräutertee gurgelte und
heimlich unter der Bettdecke Pornohefte las. Aber genau deshalb war sie ja
hier und durchlitt gemeinsam mit den anderen Kursteilnehmern die
labyrinthischen Ausführungen Magelskis über seinen Lieblingsautor,
den unsäglichen Siegfried Schmalzke, der nicht nur hochneurotisch war,
sondern überdies ein aufgeblasener Wichtigtuer, und der vom Leben nicht
die geringste Ahnung hatte, allen arbeitslosen suizidgefährdeten
Alkoholikern zum Trotz. Sie lächelte grimmig und dachte an Schmalzkes
gesammelte Werke in Dünndruck, die sie Anfang des Semesters antiquarisch
gekauft und zunächst dazu verwendet hatte, alle ihre hinkebeinigen
Tische und Schränke zu stabilisieren. Mit seiner frühen Lyrik hatte
sie das Katzenklo ausgelegt, und ein paar essayistische Seiten wanderten als
Brandbeschleuniger in den Kachelofen. Ein besonders abscheuliches
Romanfragment hatte sie mit viel Liebe ausgehöhlt und darin den
Schlüssel für ihren Banksafe versteckt. Niemand, da war sie sicher,
würde diesen Band freiwillig aus Neugierde aus dem Regal ziehen. Nur
für den profansten aller Zwecke hatte sie Schmalzke nicht verwendet,
aber keineswegs aus wie auch immer verstandener Pietät: das
Dünndruckpapier war einfach zu kratzig und nicht saugfähig genug. Einem größeren Publikum
war Anneliese Schmitz bekannt als Ludmilla Luderjahn. Unter diesem Pseudonym
publizierte sie schon seit Jahren eine recht erfolgreiche Romanreihe in
Heftchenform, die sie zwar nicht reich machte, aber doch einigermaßen
sorglos über die Runden kommen ließ. Material und Inspiration
für ihre Geschichten hatte sie in ihrer Anfangszeit im Wesentlichen auf
Tupperparties gefunden, aber
irgendwann waren ihr die hochgezogenen Augenbrauen und das gereizte:
‚Sie kaufen wohl nie was, gell??‘ der Avon-gestylten Tupper-Beraterinnen
zu sehr auf die Nerven gegangen. Seitdem hatte sie sich auf
Volkshochschulkurse verlegt, wo sie mit scharfem Blick Teilnehmer und
Dozenten auf ihre Romantauglichkeit prüfte. Ein so ergiebiges Exemplar
wie Hans-Joachim Magelski allerdings war ihr bisher noch nicht untergekommen.
Mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgte sie jede seiner Bewegungen, so wie
sie früher die Bewegungen der Froschlurche in ihrem Terrarium verfolgt
hatte. „Wir wollen fortfahren,
meine Damen und Herren ... “ Da war sie wieder, diese
unübertrefflich schnarrende Stimme. Es ging weiter. Um halb elf schloss Magelski seine
Wohnungstür auf. Was für ein Abend! Stöhnend schob er sich in
den dunklen Flur und suchte mit der Hand nach dem Lichtschalter. Da hatte die
Schmitz es doch tatsächlich geschafft, eine Diskussion über
Schmalzkes erst vor kurzer Zeit aufgeflogene Beziehung zu einer
thailändischen Analphabetin anzuzetteln. Vor seinen Augen hatten
aufmerksame Literaturschülerinnen sich daraufhin in keifende Weiber
verwandelt und sich in unflätigen Ausdrücken überboten, die
jeder Art von ernsthafter Literaturkritik Hohn sprachen. Die beiden einzigen
Männer des Kurses hatten den Mund gehalten, wie immer, und so war es an
ihm allein gewesen, das spezifisch männliche Element der komplexen
Künstlerpsyche, das sich femininem Verstehen
höchstwahrscheinlich a priori entzog, vor den aufgebrachten Frauen zu
verteidigen. Jetzt würden sie immer noch zusammen im ‚Goldenen
Huhn‘ hocken und sich bei einem Glas lauwarmen Rotweins über
Schmalzkes Libido ereifern. Ein Wunder, dass der Dichter in Anbetracht der
sinnentleerten Realität überhaupt noch eine Libido hatte! Magelski tappte in die Küche
und öffnete den Kühlschrank. Wenigstens war noch ein Schluck
Prosecco da. Er nahm die Flasche und schenkte sich reichlich ein. „Auf
die Kunst!“, nickte er trübsinnig dem handsignierten Bildnis
Schmalzkes zu und kippte das Glas hinunter.
Ludmilla bewohnte
ein Zimmer von Anneliese Schmitz´ Altbauwohnung. Blumenbedruckte
Plüschsessel gruppierten sich um ein Rattantischchen, auf dem die
letzten Ausgaben einiger gängiger Frauenzeitschriften
fächerförmig ausgebreitet lagen. Ein kleines Wandregal beherbergte
unterschiedliche Kunstblumen sowie eine Kristallbonbonnière mit
Cremehütchen, während sich ein junger Tuareg mit trauerumflortem
Blick von der linken Zimmerwand sehnsüchtig zu dem
Rosemunde-Pilcheresken Cottagegarten auf der rechten Seite
hinüberträumte. Unterhalb des Fensters, umrahmt von einer
Tiffanylampe und dem Kratzbaum von Fatty, dem Kater, stand der alte Schreibtisch,
ein Erbstück von Tante Margarethe, mit dem passenden unergonomischen
Stuhl davor, und darauf lag ein goldfarbener Füllfederhalter: Ludmilla
bevorzugte Tinte. „Ach,
Herr Doktor Falkenberg, Sie sind immer so verständnisvoll“,
hauchte Schwester Annette, und eine Träne zitterte in den Wimpern ihrer
rehbraunen Augen. Sanft strich der junge Arzt mit dem Finger über ihre
Wangen. Die Stimme versagte ihm, als er daran dachte, wie der Chefarzt die
junge Krankenschwester vor aller Augen heruntergemacht hatte. Nur weil in den
Krankenakten ein paar unwesentliche Daten fehlten! Es fehlte nicht mehr viel,
und das Mädchen würde unter der Last zusammenbrechen, die der
verantwortungslose Dr. Wolf auf ihre zarten Schultern lud. Aber niemand,
niemand außer ihm allein schien zu sehen, wie sehr Annette litt. Zufrieden las Ludmilla den letzten
Absatz. Noch fünf, sechs Seiten, dann würden die beiden die erste
Nacht gemeinsam verbringen, schätzte sie. Natürlich nicht vor den
Augen der Leserschaft, schließlich war die „Klinik
Wolkenstein“-Serie eine absolut saubere Reihe. Da wurde vielleicht mal
eine Gürtelschnalle gelöst oder eine vorwitzige Hand in
interessante Bereiche vorgeschoben, aber das war´s dann auch schon.
Ludmilla vertraute der Phantasie ihrer Leser. Die würden schon wissen,
wie´s weiterging. Sie lehnte sich zurück, fuhr sich mit den
Händen durch die wuscheligen hennaroten Locken ihrer Perücke und
grinste. Der fiese Chefarzt Dr. Wolf sah genau so aus wie Hans-Joachim
Magelski. Brrrr – das Telefon gab ein
unsensibles Klingeln von sich. Magelski drehte sich im Bett um und suchte die
Leuchtanzeige seines Weckers: erst viertel vor Acht. Wer, um Gottes Willen,
rief um diese Uhrzeit schon an? Unwillig griff er nach dem Hörer und
hauchte ein tuberkulöses ‚Hallo‘ hinein. „Hajo, bist du das? Morgen
auch! Hier spricht Frankie. Frank Zimmermann.“ Magelskis Herz setzte
aus. Frank P. Zimmermann, ein ehemaliger Klassenkamerad, der es völlig
unverdienterweise in die Feuilleton-Redaktion eine überregionalen
Tageszeitung geschafft hatte! Gottseidank war der Kontakt zu ihm nie ganz
abgerissen, und so hatte er Zimmermann vor ein paar Wochen ein paar Texte von
sich zugeschickt, in der Hoffnung, dieser könne sie irgendwo im
Kulturteil einer Wochenendausgabe platzieren. Seine Hand am Telefonhörer
wurde feucht; er richtete sich auf. „Ja, Frank! Wie schön,
dass du dich meldest.“ Souverän bleiben. Sag nicht, wie du
tagelang vor diesem Apparat gehockt und auf seinen Anruf gewartet hast. „Dachte schon, es
wär´ vielleicht zu früh, als ich dich eben röcheln
gehört habe, aber ich musste es dir unbedingt erzählen, wenn du es
noch nicht weißt. Wird dich brennend interessieren.“
Natürlich tut es das!! Hat der Chefredakteur eine Seite für mich
freigeschaufelt? Wollen sie mich als ständigen freien Mitarbeiter? Hat
endlich einer von euch Säcken erkannt, wozu ich fähig bin?
‚Ein ganz erstaunlicher Beitrag des profunden Schmalzke-Kenners Dr.
Hans-Joachim Magelski, der wieder einmal sein ungewöhnliches
Einfühlungsvermögen in die sperrige Prosa des Dichters unter Beweis
stellt ... ‘ Er konnte die Druckzeile förmlich vor sich sehen. „ ... also dieser Schmalzke
hat sich nach Thailand abgesetzt, mit seinem Betthäschen und dem
Verlagsvorschuss für den nächsten Roman. Soweit ich gehört
habe, wollen die beim Verlag aber stillhalten.“ Wie konnten Finger
innerhalb von Sekunden völlig taub werden und ihren Dienst versagen? Ein
Wunder, dass das Telefon nicht auf dem Boden landete. „Das – das kann nicht
sein“, konnte er schließlich flüstern. Zimmermann lachte
laut und brutal. „Ja, man möchte es kaum
glauben, aber wahrscheinlich sind die froh, diesen Schmierer los zu sein.
Also, dein Aufsatz über Schmalzke“ – Essay, murmelte er
gequält für sich, Essay
– „also, dieser Aufsatz ist für´n Arsch. Den
können wir jetzt höchstens noch als Glosse drucken.“ So wurde
man Redakteur. Für´n Arsch. „ ... das erste Originelle,
was ich vom alten Schmalzke gehört habe. Wer hätte gedacht, dass
der soviel Saft in den Knochen hat. Wollt ich dir nur schnell sagen. Also
– “ „Und die Gedichte, Frank?
Meine Gedichte?“ ‚Auswurf der Krähen über mattem Land,
wo Wintersonne längst die Segel strich ... ‘ „Ach so, die Gedichte,
stimmt. Hattest du ja auch mitgeschickt. Also, weißt du, Hajo, mit Gedichten
ist das so eine Sache. `ne ganz heikle Sache. Wir hatten ja jetzt erst die
Durs-Grünbein-Retrospektive ... also, du kannst mir natürlich
jederzeit wieder etwas schicken. Ich freu mich ja, wenn ich etwas für
dich tun kann.“ „Bitte ... “ Diese
Demütigung. Aber er musste es sagen. „Ich bin zur Zeit, um es so
zu sagen, ich befinde mich gewissermaßen in einer relativ engen
finanziellen Situation ... “ „Na, Hajo, vielleicht hat
der Schmalzke ja noch ´n Zimmer für dich frei in seiner
Bambushütte ... aber, Spaß bei Seite. Versuch´s weiter,
alter Freund. Ich habe immer ein offenes Ohr.“ Das war´s. Fassungslos
ließ Magelski den Hörer sinken. Siegfried Schmalzke war in den
Garten Eden desertiert und hatte seine Leser in der Hölle der
Postmoderne sitzen lassen. Ihn fröstelte. „Wat darfet sein, Herr
Dokter? Seh ick det richtig, und et jibt wat zu feian?“ „Lass bleiben, Sven, in
Ordnung? Gib mir´n Klaren.“ Heute war er nicht in der Lage, das
aufgesetzte Berlinern von Sven Hachmeier zu ertragen. Sven Hachmeier, ausgemusterter
Altphilologe und Kunsthistoriker, der nach Jahren der Sklavenarbeit als
Praktikant und Volontär reinen Tisch gemacht, seine Bücher auf dem
Flohmarkt verkauft und den Bahnhofskiosk gepachtet hatte. „Endstation
Sehnsucht“ hatte er ihn getauft und das Schild sinnigerweise über
dem Zeitschriftenregal aufgehängt. Er holte ein Schnapsglas heraus,
polierte es an seiner Schürze blank und goss großzügig
Apfelkorn hinein. „Und?“, fragte er
erwartungsvoll, nachdem er Magelski das Glas herübergeschoben hatte.
„Pass bloß auf, dass brennt dir glatt `n Loch ins
Zwechfell.“ Magelski schüttelte nur den Kopf. „Ist doch alles egal.“
Er rieb sich mit der Hand über die Augen. „Schmalzke ist
gegangen.“ Hachmeier horchte auf. „Hat er – ich meine,
war er krank oder so? Oder hat er doch selbst – ?“ „Ach was. Er ist nach
Thailand rüber, nachdem er da so ein blutjunges Mädchen
kennengelernt hatte. Hat uns im Stich gelassen.“ Sven Hachmeier
zögerte nur einen Moment. „Also, Hajo, wenn ich
ehrlich sein soll, mein Fall war er auch nicht gerade. Meine Verflossene, die
war ja auch Germanistin, und die hat immer gesagt: ‚Schmalzke lesen und
aus dem Fenster springen. Da zieh´ ich mir doch lieber Konsalik
rein.‘ War zwar selten der Fall, aber da hat sie mal Recht
gehabt.“ „Noch´n Klaren.“
Magelski stierte dumpf auf die Bierpfütze am Boden. Was hätte
Schmalzke daraus nicht alles machen können. „Also, meine Alte liest ja
auch gerne“, mischte sich da der Rentner ein, der in einer anderen Ecke
lümmelte und vorsichtig sein Bier trank. „Jeden Montag muss ich
ihr was mitbringen vom Kiosk, und der Sven hat reichlich Auswahl. Wenn Sie
was Bestimmtes suchen, sollten Sie den ruhig fragen.“ Er griff
zielsicher nach einem gelbgerandeten Heftchen, von dessen Cover ein traurig
aussehender Jungmediziner in die Ferne sah. „Hier, Ludmilla Luderjahn:
‚Klinik Wolkenstein – die Liebe ist stärker‘. Oder
das: ‚Von der Intensivstation ins Glück‘. Meine Frau ist so
gerührt, sie muss dabei immer weinen.“ „Ich muss auch gleich
weinen“, grunzte Magelski. Ludmilla Luderjahn! Der Name reichte aus, um
eine tiefe Übelkeit in ihm hervorzurufen. „Noch `n Kurzen,
Sven.“ Irgendwann später wurde er
wieder wach. Er lag angezogen auf seinem Bett, und in seinem Kopf tobten
Tausende kleiner Teufelchen. Mühsam richtete er sich auf. Was für
ein katastrophaler Tag! Er fühlte sich, als sei er unvermittelt in einem
Schmalzke-Roman aufgewacht. Schwarze Löcher der Literatur, schoss es
durch seinen Kopf, aber er war zu verkatert, um nach seiner Metaphern-Kladde
zu suchen. Auf dem Teppichboden um sein Bett herum lagen Dutzende bunter
Heftchen, und Magelski brauchte eine ganze Weile, bis ihm klar wurde, dass es
die gesamte Klinik-Wolkenstein-Serie war, aus der irgendjemand, vermutlich er
selbst, die Worte ‚Schmalzke ist tot‘ gelegt hatte. Unter
Aufbietung aller Willenskraft stand er vorsichtig auf und griff mit spitzen
Fingern nach dem Erstbesten: ‚Schwester Giselas Geheimnis‘. Er
knüllte sein Kopfkissen zu einer Nackenrolle zusammen, wälzte sich
darauf herum, bis er eine halbwegs erträgliche Position gefunden hatte,
und begann zu lesen. Schwester Giselas Geheimnis
enthüllte sich auf Seite 43. Sie war es gewesen, die damals die anonyme
Anzeige gegen den jungen Assistenzarzt geschrieben hatte, der daraufhin die
Approbation verlor und die Klinik verlassen musste. Irgendwo hatte er seither
ein kümmerliches Dasein als Hilfspfleger gefristet, bis ihm, dem
Hochbegabten, in seinem Kellerlabor die unglaubliche Entdeckung eines neuen
Medikaments gegen Brustkrebs gelang, gerade nachdem diese Krankheit bei
Schwester Gisela entdeckt worden war. Magelski überlegte, ob er lieber
noch ein paar Klare trinken sollte, entschied sich aber dann dagegen. Es war
eine Art der Selbstbestrafung, sagte er sich, dass er hier im Bett lag und
sich zwang, diese – diese Machwerke zu lesen. Die Handlung in ihrer
gnadenlosen Plattheit war schlimm genug; schlimmer noch die Sprache, die den
Fieberträumen einer verklemmten Siebzehnjährigen zu entstammen
schien. Am allerschlimmsten jedoch war, dass irgendwo in den tiefsten Tiefen
seines Unterbewussten ein verantwortungsloser Teil seines Ichs danach gierte
zu wissen, wie es mit Schwester Gisela und dem begnadeten Forscher
weitergehen würde. Anneliese Schmitz alias Ludmilla
Luderjahn erhielt über ihren Verlag jede Woche etwa ein halbes Dutzend
Briefe von ihren treuen Lesern. Meist ging es dabei um herzergreifende
Geständnisse („ich musste schrecklich weinen, als das
unglückliche Mädchen bei dem Unfall auch noch das linke Bein
verlor“), vage Verbesserungsvorschläge („Warum lassen Sie
Herrn Doktor Falkenberg nicht endlich Chefarzt werden? Der junge Mann ist
doch ein so verständnisvoller, fähiger Mediziner!“) oder
einfach Fragen zu allgemeinen Lebensproblemen, die jemand, der die vielfach
verknoteten Beziehungen in der Klinik Wolkenstein überschaute, doch mit
Leichtigkeit lösen sollte. Nach einigen anfänglichen Skrupeln
antwortete Ludmilla auf alle Schreiben immer das Gleiche: ‚Liebe Frau
Soundso (es waren meistens Frauen, die schrieben), ich freue mich, dass meine
Geschichten Ihnen gefallen. Für solche einfühlsamen Menschen wie
Sie wurden sie geschrieben. Bleiben Sie sich weiter treu! Ihre Ludmilla
Luderjahn.‘ Einen Brief wie den heute hatte sie allerdings noch nie
bekommen, und sie schenkte sich erst einmal einen Cognac ein, bevor sie ihn
zum zweiten Mal las. „Liebe Ludmilla Luderjahn, verehrte gnädige Frau!
Seit mehreren Jahren schon bin ich begeisterter Leser Ihrer Serien ‚Klinik
Wolkenstein‘ und ‚Herz ohne Wiederkehr‘. Immer wieder werde
ich bei der Lektüre im Innersten angerührt und ergriffen. Sie
wissen die Worte zu finden, die Ihre Leser direkt ins Herz treffen und deren
Leben besser machen! Wie oft habe ich mir schon gewünscht, einen wahren
Freund zu finden so wie Doktor Falkenberg oder die große Liebe wie die
verarmte Gräfin von Bubenhofen. Wie kommen Sie nur immer wieder auf so
etwas? Auch ich habe mich ja schon an dem einen oder anderen Geschichtchen
versucht, aber es will mir nicht so recht gelingen. Leider
haben sich in der vergangenen Woche meine Lebensumstände so dramatisch
zum Schlechteren gewendet, dass ich auch für die Zukunft keine Hoffnung
mehr habe, jemals einen Roman zu vollenden: ich habe Blutkrebs und nur noch
kurze Zeit zu leben. Deshalb wende ich mich heute an Sie. Mein
sehnlichster Wunsch in dieser mir noch verbleibenden Zeit ist es, einmal mit
Ihnen zusammenzutreffen. Ich weiß, dass Sie vermutlich als
berühmte Autorin nur wenig Freiräume haben, aber Sie würden
einem Todkranken damit eine unglaubliche Freude machen. Wenn Sie
einverstanden sind, melden Sie sich doch bitte unter folgender Telefonnummer:
07999-35050. Mit
herzlicher Zuneigung und tiefer Bewunderung, Ihr
Theo Hachmann
Der Cognac hatte nicht viel
gebracht: Anneliese Schmitz zitterten die Finger, als sie das Blatt sinken
ließ. Eins war klar: diesem bedauernswerten Menschen konnte sie nicht
ihren Standardbrief schicken. Immer mal wieder hatte sie von solchen Dingen
gehört, dass irgendein Fernsehstar einem Todkranken den letzten Wunsch
erfüllte, aber doch nie damit gerechnet, es könnte sie selbst eines
Tages betreffen. Natürlich war es bei allem Mitgefühl auch eine
erhebende Sache, bei so etwas mitzuwirken. Ludmilla hätte sicher sofort
zugestimmt. Kurz entschlossen griff Anneliese Schmitz zum Telefon und
wählte die angegebene Nummer. Nach dem fünften Klingeln nahm jemand
ab, und eine kraftlose Stimme meldete sich. „Ja?“ „Hier Luderjahn, Ludmilla
Luderjahn. Spreche ich mit Herrn Hachmann?“ Sie hörte, wie jemand
am anderen Ende der Leitung schluckte. „Sie sind es wirklich
– Frau Luderjahn! Ich hatte nicht zu hoffen gewagt – “
Schnell fuhr sie fort. „Ich habe Ihren Brief
erhalten. Deshalb rufe ich an. Wenn Sie mögen, könnten wir für
den kommenden Dienstag ein Treffen arrangieren.“ Wieder das Schlucken.
Vielleicht lag das an seinen Medikamenten. „Dienstag, ja. Frau
Luderjahn, Sie können sich nicht vorstellen – es ist unglaublich.
Sie machen mich sehr glücklich.“ Mein Gott, fast war es schon
peinlich. „Ja, also, sagen wir 21.00
Uhr? Oder ist das zu spät? Im (irgendein Restaurant, wo man sie nicht
erkennen würde) – vielleicht in der
‚Rosenlaube‘?“ „Ich werde da sein, Frau
Luderjahn – ich werde da sein!“ Ein Hustenanfall machte seine
Worte fast unverständlich. Anneliese Schmitz war froh, als sie das
Gespräch beenden konnte. Hajo Magelski grinste ins Telefon.
Es war einfach nicht zu fassen! Die Luderjahn hatte seine Geschichte
tatsächlich geglaubt. Vermutlich, weil sie mit ihrer eigenen Schmerz-
und Schmalzprosa so nahe verwandt war. In diesem Genre schien er nicht ganz
unbegabt zu sein; das ließ für die Zukunft hoffen. Die ‚Rosenlaube‘ war
eine ideale Wahl: eine überladen plüschige Höhle mit
künstlichen Rosen überall und Duftkerzen, die geeignet waren, das
Aroma noch der fadesten Klopse ins Patschoulihafte zu veredeln. Magelski
saß an einem der hinteren Tische, eine blassrosa Rose im Knopfloch, und
nippte an einem Kamillentee; schließlich war er schwerkrank. Wie nicht
anders zu erwarten, kam die Luderjahn zu spät: es war schon halb zehn
durch, als die Klapptür sich öffnete und eine aufgetakelte
Rothaarige die Kneipe betrat, von Kopf bis Zeh in Ethnodrucke gekleidet und
mit klingelnden Ketten behängt. Eine riesenhafte Sonnenbrille verdeckte
gut die Hälfte ihres Gesichts. Suchend drehte sie den Kopf, bis sie den
Mann mit der Rose entdeckte. Sie zuckte zusammen, ihr Mund klappte auf, aber
nach ein paar Schrecksekunden hatte sie sich gefangen und näherte sich
dem Tisch. Magelski betrachtete sie fast mitleidig. Die Geschichte schien sie
tatsächlich mitzunehmen. Ludmilla Luderjahn kochte vor
Zorn, während sie sich langsam zwischen den viel zu eng stehenden Sofas
und Sesselchen der ‚Rosenlaube‘ durchzwängte. Da war sie
doch auf diesen unverschämten Literaturzwerg hereingefallen! Eine
Frechheit, ihr solche Geschichten aufzutischen. Aber der sollte sich noch
wundern. Diesen Abend würde er nicht mehr vergessen, dafür
würde sie sorgen. Wie selbstgefällig er ihr entgegengrinste! Sie
war sich sicher, dass er sie unter der Perücke nicht erkennen konnte.
Jetzt griff er schleimig nach ihrer Hand, führte sie an die Lippen und
küsste sie. „Gnädige Frau ... wie
wunderbar, dass Sie es möglich gemacht haben.“ Sie schenkte ihm
Ludmillas reizendstes Lächeln. „Aber das war doch
selbstverständlich, mein lieber Herr Hachmann. Einen Beaujolais,
bitte.“ Völlig nüchtern würde sie diesen Abend nicht
überstehen. „Sie wollten etwas über meine Arbeit
wissen?“ „Wenn Sie mir erzählen
wollen – ? Ich wüsste gern, wo Sie diese Charaktere finden. Sie
sind so – so überaus lebensecht.“ „Oh, viele denke ich mir
einfach aus, für andere gibt es Vorbilder. Die finden Sie an jeder
Straßenecke. Der unsymphatische Chefarzt zum Beispiel aus der Klinik
Wolkenstein – Sie erinnern sich?“ Magelski nickte. „Nun, den habe ich einem
Volkshochschullehrer nachempfunden, von dem meine Freundin mir mal
erzählt hat. So ein verkrachter Möchtegern-Literat, wissen Sie,
verklemmt und verbiestert, der nicht mal `ne Coladose aufkriegt, geschweige
denn einen Büstenhalter, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
Entspannt lehnte sie sich zurück. Ausdruckslos starrte Magelski in
seine Tasse. Diese Frau war selbst Schuld, ganz allein. Die existentielle
Erbarmungslosigkeit der Postmoderne war ihm plötzlich wieder ganz nah. Anderthalb Stunden später war
es Zeit aufzubrechen. „Ich – ich würde
Sie gern nach Hause begleiten, wenn es Recht ist“, murmelte Magelski,
und die Luderjahn nickte kokett. „Sollten Sie denn so
spät noch unterwegs sein? Ich meine nur, wegen Ihrer Erkrankung?“ „Oh, Sie können mich ja
noch auf ein Gläschen hereinbitten, gnädige Frau. Es würde mich
unbeschreiblich glücklich machen, den Platz zu sehen, an dem alle diese
herzerwärmenden Geschichten ihren Ursprung haben.“ O, dachte
sie. Olàlà. Du hast es nicht anders gewollt. Sie hängte
sich bei ihm ein. „Dann los.“ Gut
zwanzig Minuten legten sie so nahezu schweigend zurück, im Wesentlichen
damit beschäftigt, durch unterschiedlich starkes Drücken ihrer
eingehakten Arme so etwas wie erotische Spannung zu erzeugen. Das Haus lag
schon im Dunkeln, und im verlassenen Treppenhaus wagte Magelski sich soweit
vor, die Luderjahn kurz und heftig um die Hüften zu fassen. Na warte,
dachte sie, na warte, mein Lieber. „Hier, das kleine Zimmer ...
treten Sie ruhig schon ein, ich mache mich noch ein wenig frisch.“
Magelski sah sich um. Der Raum war genauso geschmacklos, wie er angenommen
hatte. In den zahlreichen Schubfächern des scheußlichen
Schreibtisches würden all die Notizen lagern, von denen die Luderjahn
ihm erzählt hatte, Stoff für mehr als zwei Jahre Klinik
Wolkenstein. Er konnte sein Glück kaum fassen. Es lief alles viel
besser, als er sich jemals erträumt hatte. Sorgfältig streifte er
sich die Handschuhe über. Ludmilla Luderjahn verwandelte
sich sehr gründlich in Anneliese Schmitz. Sie entfernte Rouge und
Lippenstift, warf all den bunten Plunder in die Ecke und wählte mit
Bedacht die unmodernste Baumwollhose, die sie in ihrem Schrank finden konnte.
Zum Schluss griff sie nach der Digitalkamera und schaltete ein. Hans-Joachim
Magelski mit einer Rose im Knopfloch in flagranti im Allerheiligsten von
Ludmilla Luderjahn, der Königin der Schundliteratur! Davon würde er
sich nie wieder erholen. Siegessicher und mit erhobener Kamera stieß
sie die Tür auf. Magelski wartete schon. Es ging alles ganz schnell und
unkompliziert, fand Magelski. Schon vor Jahren, als er sich eine Zeitlang an
Scherenschnitten in der Tradition von Matisse versucht hatte, hatte er sich
von einem Bekannten eine Hand voll Einmalskalpelle besorgen lassen. Diese
kleinen Messerchen waren wirklich unglaublich scharf und schnitten durch das
Gewebe wie Butter. Wenn es nur nicht so sehr geblutet hätte! Aber das
waren die Begleitumstände, die sich leider nicht vermeiden ließen.
Vorsichtig drehte er die Leiche mit der Fußspitze um. Anneliese
Schmitz!? Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Von plötzlicher Panik
erfasst, lauschte er in den Flur, aber alles war ruhig. Ludmilla Luderjahn
war wie vom Erdboden verschwunden. Nicht auf halber Strecke stehenbleiben,
ermahnte er sich. Systematisch arbeiten. Er ging zum Schreibtisch, leerte
alle Schubladen in eine Plastiktüte und nahm auch den Karteikasten mit.
Gott weiß, wieviele unglückliche Krankenschwestern da noch drin
schmachteten! Mit einem letzten Blick auf die starren Augen von Anneliese
Schmitz verließ er den Tatort. Er konnte es kaum erwarten, seine
Beute zu begutachten: 1684 Gramm beschriebenes DIN A 4-Papier, 182
Kateikarten sowie ein paar Umschläge mit ausgeschnittenen
Zeitungsnotizen aus der Klatschpresse. Ein paar Wochen lang beherrschte
der brutale Mord an Anneliese Schmitz alias Ludmilla Luderjahn alle
Titelseiten. Aber als die Polizei auch nach zwei Monaten keine heiße
Spur gefunden hatte, geriet der Fall in der Öffentlichkeit langsam in
Vergessenheit. Nur zahlreichen Lesern trieb es die Tränen in die Augen,
als am ersten Montag des Folgemonats nicht wie gewohnt eine neue Folge von
‚Klinik Wolkenstein‘ im Zeitschriftenhandel auslag. Jetzt,
entschied Hans-Joachim Magelski, war es an der Zeit zu handeln und die
Früchte seiner harten Anstrengungen zu ernten. Er suchte die Adresse von
Ludmillas Verlag heraus und schickte ihnen eine von Ludmillas schon fertigen
Geschichten aus ihrem Schreibtisch. ‚Ich glaube‘, schrieb
er in seinem Begleitbrief, ‚den Ton der verstorbenen Autorin
hinreichend gut zu treffen, und schicke Ihnen mein Manuskript zur
Prüfung. Bei Gefallen wäre ich bereit, die ganze
‚Wolkenstein‘- wie auch die ‚Herz ohne
Wiederkehr‘-Serie in ihrem Namen zu übernehmen und
weiterzuführen.‘ Zwei Wochen später hatte er den Vertrag in
der Tasche. * „ ... keine andere Autorin,
meine Damen und Herren, stellt so unbarmherzig und scharf die Sinnlosigkeit
der postmodernen Existenz bloß, wie Ludmilla Luderjahn es tut ...
Denken Sie nur an die Szene, in der der junge Assistenzarzt sich in die
unbedarfte Krankenschwester verliebt. In dieser zuckrigen Gefühlsbrühe
schmecken wir die Banalität des Bösen, meine Damen und Herren, die
Einzug hält in unsere Alltagstristesse, nachdem die verlogene Welt der
heilen Familie ad absurdum geführt wurde ... “ Noch nie war einer
seiner Kurse so voll gewesen wie „Trivialliteratur als
Meisterstück der Postmoderne“, dachte Hans-Joachim Magelski alias
Ludmilla Luderjahn glücklich, und es würde immer so weitergehen. Im
Januar schrieb er die Schmonzette, die er im Februar kritisch würdigen
würde. Und das Beste: Anneliese Schmitz war nicht mehr da, um ihre
katastrophalen Kommentare abzugeben! So wohl und heimisch hatte er sich in
der Postmoderne nie zuvor gefühlt. Morgen würde er sich in einem
Reisebüro mal ein paar Flüge nach Thailand heraussuchen lassen. ©Isabell
Pfeiffer |
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