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Willkommen auf der Homepage der Autorin Isabell Pfeiffer !

 

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 Vom Wünschen, Schenken und Sich Bedanken

An einem schönen klaren Dezembertag kam die kleine Fee in die Stadt geflogen und landete neben einem dicken Herrn im grauen Anzug.

„Sei glücklich, Sterblicher!“, säuselte sie. „Ich bin nämlich eine Fee und werde dir drei Wünsche erfüllen!“ Der Herr zuckte mit den Schultern.

„Nicht nötig, Kleine. Ich bin wunschlos glücklich.“

„Ach, kann man glücklich sein, wenn man sich nichts mehr wünscht?“, fragte die Fee erstaunt und ein bisschen ungläubig.

„Tja“, antwor­tete der Mann, „ich hab´ eben schon alles: ein schnelles Auto, ein großes Haus, eine schicke Frau, und ich bin gesund. Alles im grünen Bereich.“„Ach so“, sagte die Fee verwirrt und flog in unordentlichen Schleifen davon. Das war ja ein schöner Schlamassel! Was sollte sie jetzt tun? Sie musste doch ganz, ganz dringend heute noch einen Wunsch erfüllen! Bei ihr war nix im grünen Bereich. Tief im Inneren jeder Fee – aber das weiß natürlich kaum ein Mensch – steckt nämlich eine kleine Hexe, die ganz schön viel Unfug anstellt. Und um das wieder gut zu machen, müssen die Feen gelegentlich irgendjemandem einen Wunsch erfüllen; am besten jemandem, dem sie vorher übel mitgespielt haben, sonst gewinnt irgendwann das Böse in ihnen die Überhand und dann – na, das kann sich ja jeder leicht ausmalen, was dann passiert.

„Ich versuch´s einfach noch mal“, nahm sich die Fee ein bisschen trotzig vor und steuerte gleich auf eine Frau mittleren Alters zu, die ganz offenbar schwer an ihren Einkaufstaschen zu schleppen hatte.

„Guten Tag, ich bin eine Fee“, erklärte sie der verblüfften Frau und faltete vorsichtig ihre Flügel zusammen. „Du hast drei Wünsche frei. Also überlege gut, was – “ Aber da fiel ihr die Frau schon ins Wort.

„Machen Sie sich keine Mühe, Fräulein“, sagte sie ein bisschen mitleidig. „Bei uns zu Hause schenken wir uns nichts mehr, schon seit Jahren.“„Oh!“, machte die Fee. „Aber warum denn nicht?“ Die Frau sah sie geduldig an, als wäre sie ein kleines Kind.

„Sie können vielleicht fragen! Wir wissen ja auch so, dass wir uns gern haben. Wozu sollen wir uns da noch etwas schenken?“ Und trotzdem lassen alle diese Gernhaber Sie diese schwere Tasche allein nach Hause tragen, dachte die Fee vorwitzig. Mit ein bisschen Nachdenken wäre ihr sicher noch so manches Geschenk für die Frau eingefallen. Aber so etwas durfte sie nicht laut sagen. Das war gegen die Regeln. Sie merkte, hier kam sie nicht weiter.

„Dann noch viel ... viel Vergnügen“, verabschiedete sie sich ein wenig hastig. Jetzt aber, dachte sie sich, der nächste, den ich sehe, der ist dran. Und da kam auch schon ein junger Mann vorbeigeschlendert, einen kleinen Hund an der Leine.

„Wünsch dir was“, sagte sie ein bisschen unwirsch. „Ich bin nämlich eine Fee und kann Wünsche erfüllen. Also los.“ Der junge Mann kniff die Augen zusammen.

„Na gut. Ich wünsche mir ein Motorrad, einen neuen Computer und ein belegtes Brötchen. Gurke, Schinken, Ei.“ Spöttisch grinste er die Fee an, die sofort lossauste. So einfach, wie die Märchen behaupten, ist das nämlich gar nicht mit dem Wünsche-Erfüllen. Da müssen die Feen sich ganz schön abrackern. Sie schuftete und schnaufte und flog unzählige Male hin und her, bis sie alles beisammen hatte. Strahlend und völlig aus der Puste legte sie schließlich dem jungen Mann alles zu Füßen.

„Na?“ Sie war begeistert von sich selbst. Dass sie das geschafft hatte! Der junge Mann nahm das Brötchen und biss hinein, drückte lustlos ein paar Tasten auf der hochglanzpolierten Silbertastatur des Computers und setzte sich dann auf das Motorrad.

„Das wäre aber nicht nötig gewesen“, meinte er schließlich und brauste davon. So, dachte die Fee wütend, das wäre also nicht nötig gewesen?! All meine Mühe, die ganze Schlepperei, die Gedanken, die ich mir um den Kram gemacht habe, all das wäre nicht nötig gewesen?? Wenn das so ist, ihr Lieben, dann könnt ihr mir gestohlen bleiben.

Und von diesem Tag an ließ sie der kleinen Hexe in sich freie Bahn und wollte nie wieder eine Fee sein.

©Isabell Pfeiffer

 

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